Kleiner Leitfaden zur Charaktererstellung

  • Vorab: Dieser Leitfaden soll eine kleine Anregung zum Thema Char-Erstellung sein und dabei helfen, den einen oder anderen Fehler zu vermeiden. Er wurde ursprünglich von Namir al-Rashid im alten Forum eso-rollenspiel.de gepostet. Dank gebührt also ihm! ;)



    Grundsätzliches


    Die Welt von Tamriel ist voll von Weltenrettern. Da ist es nur naheliegend, daß man gerne einen Char erschaffen möchte, der zwischen all den Superhelden noch halbwegs auffällt. Von dieser Idee hin zur special snowflake ist es dann nur noch ein kleiner Schritt. Betrachtet man die Welt jedoch aus der Sicht eines Bewohners von Tamriel, sieht die Sache gleich ganz anders aus. Die meisten Bewohner können es sich schlicht nicht leisten, sich dem Abenteurer-Leben hinzugeben. Oder sie haben einfach zu viel Angst. Immerhin wimmelt es ausserhalb der Stadttore nur so von Monstern und wilden Tieren.


    Kurzum: spieltechnisch gibt es sicher weitaus mehr (Spieler-)Helden als „einfache Bewohner“, doch im Rollenspiel sind Helden und Abenteurer eher die Ausnahme denn die Regel. Wenn ihr also einen Char erschafft, versucht nicht, auf biegen und brechen etwas besonderes auszuspielen. Euer Char ist in Tamriel aufgrund seines Abenteurerlebens bereits etwas besonderes. Achtet einfach mal auf die Aussagen einiger NPCs, die sich danach sehnen, die entlegenen Winkel Tamriels zu entdecken oder euren Char um sein Abenteurerleben beneiden. Gutes Rollenspiel zeichnet sich zudem nicht dadurch aus, daß man etwas „ganz anderes“ ausspielt. Sondern daß der Char so sehr an die Welt von Tamriel angepasst wird, daß er bestenfalls gar nicht auffällt.



    Der erste Schritt

    Wenn ihr einen Char erstellen wollt, habt ihr wahrscheinlich schon eine ungefähre Vorstellung davon, was für einen Char ihr haben wollt. Für den Anfang kann es sehr hilfreich sein, den eigenen Char in einigen wenigen (!) Sätzen zu beschreiben, damit ihr einen roten Faden habt und euch später nicht völlig verzettelt. Klischees sind hier übrigens durchaus in Ordnung, solange man es nicht ins lächerliche zieht. Also der muskelbepackte Krieger, die geschickte Schurkin, die warmherzige Heilerin, der wissbegierige Magier.


    Zitat

    Cedric Mallorne war ein eher schmächtiger Bretone, der bereits als Kind ein ungewöhnliches Interesse für Bücher aller Art hatte. Mit 7 Jahren kam er in die Magier-Akademie von Wegesruh, wo er umfassend zum Zerstörungsmagier ausgebildet wurde. Die meiste Zeit verbrachte er innerhalb von Wegesruh, und auch da bevorzugt in der Bibliothek der Akademie. Sein Wissen war sehr umfangreich, doch die "Welt da draussen" kannte er nur aus Büchern, und so wirkte er im Alltag oftmals etwas weltfremd.



    Von starken Helden mit kleinen Schwächen

    Was macht einen Helden aus? Klar, er hat besondere Fähigkeiten. Hier gilt allerdings: weniger ist eindeutig mehr. Ein Held, der gleich 3 Zauberschulen perfekt beherrscht, den Magister-Titel besitzt, die Alchemie tiefgründig studiert hat und nebenbei hervorragend kochen, nähen, schmieden und auch noch bezaubernd singen kann, wirkt schlicht unglaubwürdig. Nehmt lieber eine, höchstens 2 Fähigkeiten, die euer Char wirklich meisterlich beherrscht, und vielleicht noch 2 oder 3 Fähigkeiten, die ganz passabel sind. Fähigkeiten sind nichts, womit man später im Spiel herumprahlt, sondern besondere Eigenschaften, mit denen man andere Abenteurer unterstützen kann und die den eigenen Char in der Gruppe wertvoll machen.


    Zitat

    Cedric hatte sich einer kleinen Gruppe von Abenteurern angeschlossen. Dank seiner Magiefähigkeiten konnte er die Kämpfer der Gruppe mit Zerstörungszaubern hervorragend unterstützen, was ihn in der Gruppe zu einem geschätzten Gefährten machte. Zudem war er bei den übrigen Abenteurern recht beliebt, seitdem sich herausgestellt hatte, daß er ein Talent zum Erzählen besaß. So konnte Cedric abends am Kamin- oder Lagerfeuer mit allerlei Geschichten unterhalten.


    Nichts ist langweiliger als Perfektion. Während die Stärken einen Char zu jemand besonderem machen und ihn zu einer unverzichtbaren Hilfe in einer Gruppe von Abenteurern macht, sind es erst die Schwächen, die ihn sympathisch, zumindest aber „echt“ erscheinen lassen. Hier gilt, wie bei den Stärken, daß weniger eindeutig mehr ist. Tragt nicht zu dick auf und achtet darauf, daß die Schwächen des Chars ihm nicht dauerhaft im Weg stehen, sondern sich nur in bestimmten Situationen unangenehm bemerkbar machen.


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    Verzweifelt klammerte sich Cedric an das Brückengeländer und brachte seine Reisegefährten schier zur Verzweiflung. Der bretonische Magier, der eben noch wagemutig Feuerbälle auf eine Riesenspinne geschleudert hatte, stand nun schweißgebadet auf der Brücke und weigerte sich, auch nur einen Schritt weiterzugehen. Der arme Kerl hatte Höhenangst, und die Gruppe schaffte es trotz guten Zuredens nicht, den Magier zum Weitergehen zu bewegen.


    Die Stärken und Schwächen eures Chars stellen im Idealfall eine Bereicherung für das Rollenspiel dar. Falls ihr nicht gerade konsequent solo rp´lern wollt, können sich Abenteurer mit ihren Eigenschaften gegenseitig unterstützen und ergänzen. Der starke Krieger, der im Kampf an vorderster Front steht und Türen aufbricht – und eine Spinnenphobie hat. Die Schurkin, welche die Gruppe als geschickte Kundschafterin unterstützt und lästige Fallen entschärft – und jeglicher Form von Magie misstraut. Der Magier, der dank seines Wissens alte Schriften entschlüsseln kann und mit Hilfe von Magie Geheimtüren entdeckt – und im alltäglichen Leben wegen seiner Weltfremdheit rasch überfordert ist. Die Heilerin, die sich um die Verletzungen der anderen kümmert und ein offenes Ohr für die Sorgen und Probleme der anderen hat – und schrecklich neugierig ist.



    Kleine Details mit großer Wirkung

    Ihr überlegt, wie ihr euren Char noch überzeugender darstellen könnt? Eine Möglichkeit ist, sich wahlweise während der Char-Erstellung oder im Laufe seines Abenteuer-Lebens weitere Details auszudenken, zum Beispiel prägende Ereignisse im Leben des Chars, Lieblingsgetränke und -speisen, spezielle Eigenheiten und Vorlieben usw.


    Eine weitere Möglichkeit ist der Beruf des Chars. Ein Krieger kennt sich besonders mit Waffen und Rüstungen aus. Eine Schurkin kann stundenlang über verschiedene Schlösser und Gifte fachsimpeln. Eine Heilerin erklärt, wie man am besten eine blutende Wunde stillen kann und welche Kräuter bei Fieber besonders hilfreich sind. Und der Magier schüttelt nur den Kopf darüber, daß „die einfachen Leute“ nicht den Unterschied zwischen Papier und Pergament kennen. Niemand muss gleich Waffenkunde studieren, um im Rollenspiel überzeugend als Krieger rüber zu kommen. Es reicht bereits, sich (zum Beispiel bei Wikipedia) einen kleinen (!) Überblick über den Beruf des Chars zu verschaffen, und dann bei passender Gelegenheit eine einzelne Bemerkung zum Thema anzubringen. Auf diese Weise kann man seinen Char wunderbar noch „echter“ darstellen.


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    Cedric schwirrte der Kopf. Der Krieger hatte angefangen, über Waffen zu reden. Es fielen Begriffe wie Langschwert, Kurzschwert, Breitschwert, Zweihänder, Dolch, Stilett … Als der Krieger schließlich erklärte, daß der Übergang zwischen einem langen Dolch und einem Kurzschwert fliessend sei, gab Cedric es endgütlig auf, noch etwas von dem Gespräch zu verstehen.



    Kein Held ohne Motiv


    Oftmals steht ein Spieler vor der Frage: wie würde mein Spieler in dieser oder jener Situation wohl reagieren? Man kann sich einerseits bereits vorab diverse Situationen überlegen und gedanklich durchspielen, um so später seinen Char „passend“ auszuspielen. Eine andere Variante ist, sich zu überlegen, was den Char eigentlich antreibt.


    Ein Krieger, der sich nach Ruhm und Anerkennung sehnt, wird gänzlich anders handeln, als ein Schurke, der nur nach Reichtum strebt. Und eine Magierin, die Wissen über alles andere stellt, wird mit einer Heilerin, die Helfen zum höchsten Prinzip erhoben hat, nur selten einer Meinung sein.


    Das Motiv ist im Rollenspiel also die Basis für das Handeln eures Chars und hilft zugleich dabei, den Char im Rollenspiel angemessen reagieren zu lassen, ohne daß ihr erst stundenlang darüber nachdenken müsst, was euer Char in der jeweiligen Situation wohl tun würde. So vermeidet ihr, daß euer Char sich „launenhaft“ und unlogisch verhält oder gegen seine eigenen Prinzipien handelt.


    Zitat

    Als Cedric die alte Bibliothek betrat, war er völlig ausser sich vor Begeisterung. So viel Wissen, das es hier zu entdecken gab. Kurz kam dem Magier der Gedanke, daß einer seiner Gefährten wenige Augenblicke zuvor in eine Falle gerannt und nun schwer verwundet war. Doch Cedric schob den Gedanken hastig beiseite. Die Heilerin würde sich schon noch um den Verletzten kümmern. Die Bücher waren jetzt wichtiger.



    Ein heikles Thema – Lore-Wissen

    Im Rollenspiel geht es darum, mit dem eigenen Rollenspiel der Welt von Tamriel Leben einzuhauchen. Und um eine Welt stimmig zum Leben zu erwecken, ist es von besonderer Bedeutung, daß alle auf der gleichen Basis spielen, eben die Lore. Die Lore ist kein eisernes Regelwerk, welches es sklavisch zu befolgen gilt. Sie ist vielmehr eine Beschreibung dessen, was die Kultur, Lebensweise, Wissenschaft, Politik, technischer Stand/Fortschritt usw. von Tamriel ausmacht. In dem Moment, wo jemand sich nicht mehr an die Lore hält, wird es für andere Mitspieler schwierig, da sie nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen.


    Bevor ihr nun auf die Idee kommt, euch Unmengen an Lore-Wissen anzueignen, solltet ihr euch zunächst überlegen, was euer Char überhaupt weiß. Lore-Wissen ist nichts als unnötiger Ballast, wenn ihr es im Rollenspiel gar nicht einsetzen könnt. Ein Char, der seine Heimatstadt nie zuvor verlassen hat, wird bestenfalls das eine oder andere von der „Welt da draussen“ mitbekommen haben. Er weiß, wer der aktuelle Herrscher in seiner Stadt ist, kennt sicher auch noch den Herrscher seines jeweiligen Bündnisses und seine eigenen Gottheiten. Aber er kennt zum Beispiel ganz sicher nicht die Hintergrundgeschichte der anderen Völker, ihre Gewohnheiten oder gar ihre Gottheiten. Gerade bei „Neulingen“ bzw. Chars, die die Welt erst noch entdecken, kann das Nicht-Wissen des Spielers sogar durchaus von Vorteil sein.


    Um einen Eindruck davon zu bekommen, was ihr für eure ersten Schritte im RP konkret wissen müsst, um später „mitreden“ zu können, besucht einfach jene „Spielorte“, an denen ihr mit eurem Char starten wollt, und lest ein Weilchen im Chat mit. Notiert euch Begriffe, die ihr nicht versteht und für wichtig haltet, und macht euch darüber schlau. Für den Anfang reicht das oftmals völlig aus.



    Zusammenfassung

    Wenn ihr euch einen Char erstellt, achtet darauf, daß er sich in die Welt von Tamriel einfügt, statt krampfhaft einen ganz besonderen Helden ausspielen zu wollen.


    Beschreibt für euch selbst euren Char in einigen wenigen Sätzen, damit ihr ein konkretes Grundkonzept von eurem Char habt.


    Gebt eurem Char Stärken und Schwächen, aber übertreibt es nicht. Behaltet im Auge, daß Stärken und Schwächen eine Bereicherung für das Rollenspiel sein sollen und euren Char zu jemand besonderem machen.


    Wenn ihr wollt, eignet euch einige wenige Grundlagen über den Beruf eures Chars an und macht euch über kurz oder lang einige Gedanken zu seinem Hintergrund.


    Überlegt euch, was euren Char antreibt, was das Motiv seines Handelns ist.


    Eignet euch Lore-Wissen an, doch beschränkt euch zu Beginn auf das, was euer Char auch wirklich weiß.



    ~ ~ ~



    Zum Schluss

    Leitfäden wie dieser hier sind (hoffentlich) eine Hilfe bei der Erstellung und beim Ausspielen eines Chars, doch wer wirklich ein guter Rollenspieler werden will, sollte vor allem folgendes beherzigen

    1. Spielt aktiv Rollenspiel.
    2. Lasst euch Rückmeldungen geben.
    3. Achtet auf andere Rollenspieler und darauf, was euch an der Darstellung anderer Chars besonders gut gefällt.

    Ich habe mit Sicherheit noch einiges vergessen. Wer also weitere Ideen, Anregungen, Tipps, nützliche Links oder auch Fragen hat, kann hier gerne posten.


    „Ich bin stets das, was mein Volk gerade von mir braucht. Ein Wächter. Ein Unterdrücker. Für manche zu entrückt. Für andere zu zudringlich. Ich bin die Leinwand, auf der die Leute ihre Träume und ihre Missgunst malen. Ein Gefäß für ihre Hoffnungen und Zweifel. Ein Spiegel. Nicht mehr.“
    ~ Sotha Sil

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