Das Märchen von der schönen Nereïde

  • Ein bekanntes Kindermärchen das in Hochfels erzählt wird.
    Es war einmal vor langer Zeit da lebte eine wunderschöne Nereïde in einem verzauberten Wald. Mit ihren Schwestern spielte sie Tag ein und Tag aus an einem verborgenen Weiher, geschützt von den mächtigen und uralten Wyrdbäumen. Es begab sich das ein Prinz mit seinem Gefolge durch diese alten und verbotenen Wälder zog, wissend um die Gefahren die darin lauerten. Doch der König, der Vater des Prinzen, lag an einer schweren Krankheit leidend im Sterben. Höchste Eile war geboten und so schlug der Prinz alle Warnungen in den Wind.

    Die wunderschöne Nereïde beobachtete wie der Prinz, in farbenprächtige Gewänder gehüllt, mit seinem Gefolge durch den Wald ritt. Die Nereïde war stets neugierig gewesen und faszinierte sich für die Welt der Sterblichen. Den Prinzen fand sie besonders schön und sie verlor sich in Tagträumen in denen sie neben ihm saß, sich mit ihm Geschichten erzählte und des Lebens freute. Doch ihre Welt und die Seine, waren sich immer fremd gewesen. Die Geister des Waldes hassten die Menschen und die Menschen verachteten die Traditionen des alten Weges. Welch Jammer dies doch war!

    Während die Nereïde also ihren Tagträumen hinterher hing wurde der Prinz und sein Gefolge von wilden Zweiglingen überfallen, die die Menschen als Bedrohung ihrer Heimat sahen. Das Gefolge des Prinzen wurde dahin gemetzelt und auch der Prinz erlitt eine schwere Verwundung, stürzte von seinem Pferd und fiel in den verborgenen Weiher in dem die Nereïde sonst mit ihren Schwestern spielte.

    Die wunderschöne Nereïde sprang sogleich in die Tiefen und rettete den Prinzen. Ihr magischer Gesang heilte seine Wunden und besänftigte seinen Geist und sie trug ihn an den Rand des Waldes, wo er schnell von seinesgleichen gefunden wurde. Sehnsüchtig sah sie ihm nach, als er verschwand und wünschte sich bei ihm bleiben zu können.

    Da erinnerte sich die Nereïde an eine alte Geschichte die ihr einst eine weise Eule erzählt hatte. Die Geschichte handelte von einer Hexe die tief in den Pilzwäldern lebte, ein böses und gefährliches Land das heimgesucht wurde von einer schrecklichen Seuche. Von der Hexe hieß es sie würde jenen die in Not waren für einen Tausch helfen. Vielleicht, so dachte sich die Nereïde, vermochte die Hexe ihr ihren sehnlichsten Wunsch zu erfüllen.

    Also machte sie sich auf in die dunklen und entlegenen Orte die als die Pilzwälder verrufen waren. Ein kranker Ort den das Leben verlassen hatte, überwuchert von Giftpflanzen und toten Geäst. Inmitten dieses finsteren Waldes stand eine Hütte, gewachsen aus dem Dickicht das diese Gegend verschlang. Als die Nereïde dies Land betrat, hörte sie eine Stimme nach sich rufen. Dort, in dichten Nebel gehüllt, stand ein altes Mütterchen in dreckigen Leinen und mit wehendem weißem Haar. Mit gekrümmtem Finger lockte sie die Nereïde zu sich.

    „Warum bist du hier mein Kind?“, flüsterte die Hexe und ihre Stimme klang wie das Krächzen einer Krähe.

    „Ich sehne mich nach der Welt der Menschen, doch ich als Geist des Wassers werde nie dazu gehören können.“, sprach die Nereïde traurig.

    „Um bei den Menschen sein zu können musst du selbst zum Menschen werden.“

    „Könnt Ihr dies tun?“

    „Das kann ich.“, sagte die Hexe und mit einer Handbewegung erschien ein Kessel in dem grüner Sud leuchtend brodelte.

    „Mit diesem Trank hier sollst du ein Mensch werden. Doch höre mir gut zu: Nur drei Tage hast du Zeit um von dem Menschen den du liebst wahre Liebe zu erfahren. Wenn es gelingt, wirst du für alle Zeiten ein Mensch bleiben, mit all dem Guten und all dem Schlechten. Jedoch… Sollte die Sonne am dritten Tag untergehen und der Prinz dir keine wahre Liebe geschenkt haben, sollst du zu Meeresschaum zerfallen und deine Essenz wird mir Jugend und Schönheit gewähren!“, sprach die Hexe mit donnernder Stimme, die spindeldürren Arme empor gerissen.

    „So sei es.“, erwiderte die Nereïde entschlossen.

    Die Hexe rief Zauber um Zauber in den Himmel, bis ein Blitz sich in den Kessel entlud und der Trank seine Macht erlangte. „Trink jetzt mein Kind!“

    Die Nereïde trank aus dem Kessel und wart daraufhin ein Mensch. Sie floh aus dem Wald der sie nicht mehr als ihresgleichen erkannte hin zu den Städten der Menschen. Dort, auf den belebten Straßen, den lauten Marktplätzen war die Nereïde wie verzaubert. So etwas hatte sie noch nicht gesehen. Während sie nach ihrem Prinzen suchte, sang sie für die Menschen und verdiente sich so ihr Brot. Wie der Zufall es wollte fuhr der Prinz ihrer Träume eben zu diesem Zeitpunkt in einer Kutsche über den Markt. Er erkannte den Gesang seiner Retterin und lud sie zu sich ein. Voll des Glückes darüber das sie ihn gefunden hatte, stieg sie in seine Kutsche und fuhr mit ihm zum Schloss.

    Dort verbrachten sie den Tag und die Nacht miteinander, erzählten sich Geschichten, aßen, tranken, lachten und sangen – ganz so wie sich die Nereïde es gewünscht hatte. Am zweiten Tag war der König tot und sein Sohn, der Prinz, erhielt die Krone und den Thron. Da sah er die Nereïde an und versprach ihr sie zu lieben und bald zu seiner Königin zu machen. Was war die Nereïde froh! Er liebte sie und so würde sie für alle Zeit ein Mensch bleiben.

    Am dritten Tag sodann sollte Hochzeit gehalten werden. Die Nereïde trug ein silbern-weißes Kleid und eine Kette aus Perlen zierte ihren blassen Hals. Es war der glücklichste Tag in ihrem Leben. Bei den Menschen hieß es, dass Bräutigam und Braut einander vor der Trauung nicht sehen dürften doch die Nereïde hielt es nicht länger alleine aus und eilte zur Stube ihres künftigen Gatten.

    Doch, oh Schreck, wäre sie doch niemals hin gegangen. Da sah sie ihn, ihren Prinzen, im Bett mit einer Anderen. Empfand er also auch Liebe für dieses Weib? War seine Liebe für sie denn überhaupt echt gewesen?

    Voller Trauer rannte sie davon, hinauf zum höchsten Turm des Schlosses. Dort oben sah sie hinauf aufs weite Meer, hin zu den Wäldern ihrer alten Heimat. Der Schmerz war so stark in ihrer Brust das sie es nicht ertragen wollte. Und so stürzte sie vom Turm in die hohen Wellen der aufbrausenden See. Und als sie auf das Wasser aufschlug und die Sonne gerade unterging verwandelte sie sich in Meeresschaum.

    Eine alte Frau erschien daraufhin am Strand und nahm den Meeresschaum in die Hände den sie trank.

    „Nein mein Kind, er hat dich nicht geliebt. Denn die Menschen kennen keine Liebe. Keine Güte. Keine Ehre.“ Und die alte Frau wurde wieder jung und schön, das weiße Haar rot wie Feuer der Rücken gerade, die Kurven üppig. „Aber was schert es mich? Denn du mein Kind, bist mir ins Netz gegangen.“

    Und sie lachte, lachte lauter als der Donner des herannahenden Sturmes…

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